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Gern beim Lesen als musikalische Untermalung die Playlist der Filmmusik abspielen.
London vs
Luberon
Folge 03
Kein Film der Welt (was für eine provokative Herausforderung!) wird, jedenfalls bis zu diesem Moment, für mich das perfekte Abbild davon sein, was ich mit DEM ORT ANZUKOMMEN verbinde. „Ein gutes Jahr“ ist aus 2006 und spielt mit dem Gladiator schlechthin (Russell Crowe). Für jene, die den Film noch nicht kennen, hier eine kurze Aufklärung zum Inhalt selbst.
Ein reicher und gewiefter Broker an der Londoner Börse erfährt, dass sein einziger lebender Verwandter verstorben ist. Bei ihm ist er als Junge in den Sommerferien gewesen, auf seinem Weingut in Südfrankreich. Da er das nun geerbt hat, macht er sich auf den Weg es zeitnah gewinnbringend zu veräußern. Der Rest des Films ist sicher in vielen weiteren anderen Drehbüchern umgesetzt worden.
Max Skinner, so sein Name im Film, entdeckt sein Gefühl. Er erinnert sich an das Gefühl, wenn er im Sommer auf dem Weingut seines Onkels war und dass er dort einfach er Selbst sein konnte.
Um so langsam aber sicher der Kolumne gerecht zu werden, also was jetzt so ambivalent daran ist, noch einen kurzen weiteren Handlungsnebenstrang! (Ha, schließlich muß ich euch ja auch ein paar Herausforderungen liefern, sonst wird es ja vorhersehbar und langweilig.)
Also der Nebenfluß, ähm Handlungsstrang:
Dieses Anwesen ist nicht nur in Südfrankreich, was Tatsache auch dort gefilmt wurde, sondern hat einen Charme, der vor allem in den heutigen Zeiten verloren zu gehen scheint. In Bonnieux, im Luberon gelegen, existieren diese alten Landsitze mit Flair und eben jenem alten Charme noch immer. Sicher findet man auch solche noch in vielen anderen Ländern. Es scheint von Außen nicht mehr ganz glanzvoll, der Putz bröckelt ab und die Fenster sind auch nicht mehrfach verglast. Es ist umgeben von uralten Platanen und die Zufahrt führt durch eine berauschende von Bäumen eingesäumte Allee. Für mich das Sinnbild für alles. Ich kann dafür nicht mal Wörter finden, die es nur annähernd widerspiegeln oder dem gerecht werden, was diese Fülle eines Gefühls in mir auslöst.
Zurück zu Max Skinner, der auf dem Anwesen und im Dorf entdeckt, was ich als Gemütlichkeit, sich lebendig fühlen, verträumt, magisch beschreiben würde. Allein, der Abend in einem Open-Air-Kino mit Schwarz-Weiß-Filmen und der passenden Live-Chanson-Band als passgenaue Untermalung. Wo bitte gibt es das noch?
Wo ist dieser alte Charme geblieben, diese alten Werte, wie Höflichkeit, Wertschätzung guter Gespräche, gutem Essen, Filme mit Charakter und mit viel weniger Tamtam dafür aber echtem Inhalt & Botschaften?
Jetzt wird es ambivalent, versprochen! Der Mann also, der bekannt dafür war, keine Gefühle zu haben, keinen Urlaub kennt und trotzdem als „Lebemann“ seinen Namen gemacht hat, findet einen Weg in seine Erinnerungen, zu dem Jungen aus der Vergangenheit. Er erkennt, zurück in London, wie kalt, unpersönlich alles um ihn herum ist und dass das echte erfühlbare Leben an ihm vorbei geht. Die Kunst, die Ridley Scott in diesem Film erschaffen hat, ist, dass es eben kein Kitsch ist und nicht eine Sekunde unglaubwürdig oder realitätsfremd wirkt.
Sein sogenannten bester Freund erinnert ihn dann auch noch, als er in dem deutlichen Prozess des Erkennens ist, dass er doch einfach das tun soll, was er am besten kann, was er schon immer getan hat: Geld verdienen und das Anwesen verkaufen. Dass das, was er dort wahrnimmt nur eine kurze Laune ist und er sicher bald davon gelangweilt sein würde.
Das sind sie, die besten Freunde. Gern bezeichne ich sie auch als Gnome. Sie sind so verdammt nervig und doch kann man sie sich zum Freund machen. Ihr einziger Job ist uns zu hinterfragen. Man kann direkt die Uhr danach stellen. Sobald wir uns mit etwas befassen, was neu ist, sich noch fremd aber irgendwie richtig und kribbelig anfühlt, kommt da jemand ums Eck oder eine Nachricht. Darin geht es dann zumeist um die Dinge, die wir doch schon immer so gemacht haben, sprich das Abbild unserer Komfortzone. „Never change a running system.“ hat mir mal jemand gesagt. Es hat verdammt lange gebraucht, bis ich verstanden habe, dass jener geplagt war von Ängsten sein Leben bzw. sich selbst echt zu leben. Dass das wohl auch der Grund für dieses Motto war, weswegen ich intuitiv damit auch nichts anfangen konnte. Weil, wenn sich nichts ändert, können wir kaum Neues erfahren, lernen bzw. mehr von uns entdecken.
Sobald die Angst, wenn auch verkleidet in Wut, Ohnmacht oder scheinbares Desinteresse, die führende Stimme ist, gilt es aufmerksam zu werden. Spätestens dann sind jene besten Freunde, welche uns aus ihren Komfortzonen nicht lassen wollen, eben auch ihre Welt nicht verändert werden soll, tatsächlich die besten Berater. Mit ihrem Spiegel von Angst können wir aufhorchen und reinhorchen. Da ist womöglich der Wunsch alles hinter sich zu lassen, London gegen den Luberon zu tauschen, Smog & Regen für Sonnenschein und Flair sowie anonyme Menschen in Menschen, mit den wir in Bindung / Ver-Bindung gehen. Dabei muß es noch nicht mal so dramatisch oder radikal sein. Das kann auch „nur“ das Gefühl sein, eine andere Wohnung zu wollen oder den Job für eine Herzenstätigkeit einzutauschen. Einziger gemeinsamer Nenner ist, dass etwas in uns zum Klingen gebracht hat. Dieses zarte Klingeln hat eine Vibration erzeugt, eine Frequenz, die unsere Seele erreicht hat, unser Herz. Wenn es einmal erklungen ist, gehört eine hohe Kraftanstrengung dazu, das einmal Wahrgenommene wieder verstummen zu lassen. Das leise Klingeln kann, wenn wir uns für zartes Öffnen entschließen, in so etwas wandeln, was ich mal als eine Art Kriechstrom beschreiben würde. Leise, nicht störend, aber deutlich spürbar – die ganze Zeit.
Braucht es Mut? Was ist Mut? Alles, was uns etwas anders hat machen lassen, als es in der heutigen Zeit zumeist gelebt wird, wird schnell als mutig bezeichnet. An dieser Stelle frag ich dann meistens zurück, was daran mutig ist, wenn man als Individuum das lebt, was uns individuell ausmacht. Wir leben jeden Tag uns in unserer Einzigartigkeit, sonst würden wir alle an einem Fließband stehen und das gleiche tun.
Wenn es allerdings darum geht, etwas an unserem bequemen Leben zu verändern, wenn es schon fast system-unkomform wirkt, wird es allerdings tricky. „Kann ich denn?“, „Was die anderen denken?“, „Aber was ist, wenn ich am Ende allein damit stehe?“: Viele Fragen, die als unsere „besten Freunde“ oder Gnome helfen können, uns in unserer Überzeugung zu unserem nächsten Schritt zu stärken.
Diese Fragen kommen so lange, bis der kleinste Zweifel an dem, was wir für uns allein als richtig empfinden – für den Moment – mit klaren Argumenten verpufft ist. Sie kommen wieder und immer wieder gern verkleidet. Das macht nichts. So lange das, was verändert werden soll, euch dahin bringt euch echter zu empfinden, das Kribbeln im Bauch wieder zu spüren, kann es nur richtig sein. Selbst, wenn ihr nach kurzer Zeit Erfahrungen macht, dass es nicht 100% das war, was ihr euch vorgestellt habt. Auch dann, sind es einfach nur neue Erfahrungen. Diese sogenannten Ent-Täuschungen haben nur aufgezeigt, dass ihr wenn viellicht einer Täuschung erlegen wart. Eines hat es trotzdem getan. Es hat uns etwas Neues gelehrt sowie auch über uns selbst. Das können neue Facetten in uns sein, Überraschung über Belastungsgrenzen oder womöglich einfach „nur“ ein Kontakt zu Menschen, die sich als wichtig erweisen.
Selbst, auch wenn das womöglich kindisch klingt, aber allein der Moment, wo ihr dieses Kribbeln verspürt, spürt ihr euch. Wann habt ihr euch das letzte mal wieder echt gespürt? Wo genau passiert denn zumeist das Kribbeln der Aufregung, der Vorfreude, der Ahnung? Im Bauch! Wo steckt nochmal unser Bauchgefühl?
Komfortzonen kann man sinnbildlich auch anpassen und Wände oder Mauern in kleine süße Hecken mit Blumen umwandeln. Sie komplett einzureißen und gänzlich frei davon zu sein um für alles und jederzeit offen zu sein, würde ich als unsicher empfinden. Sie dienen schon auch, um uns ein gutes sicheres Gefühl zu geben. Es ist bestimmt gut achtsam zu bleiben und wenn die Angst anklopft oder sich etwas unbequem anfühlt, auch mal wieder dahinter zu schauen.
Alles in Allem dürfen wir unsere Komfortzone so komfortabel einrichten, dass wir uns darin echt und authentisch fühlen. Wie ehrlich wir zu uns selbst sind, ist dabei wohl der Schlüssel zu dem kleinen Gartentor versteckt in der Hecke voller Blumen oder dem Tor zu der Baumallee im wunderschönen Luberon.
Habt Freude am Lunschen über den Gartenzaun – ihr könnt dabei nur Gewinnen!
PS: Wenn du in das Thema noch weiter eintauchen willst, findest du unter den Kurzgeschichten noch einige Beispiele mehr warum das Dehnen der Komfortzone verlockend sein kann.