Interview mit
Judith

Unsere Podcasterin Kathi

Lebensträume, ungewollte Schwangerschaft, Scheidung und (vegane) Karriere: Im heutigen Interview spreche ich mit Judith über ihr Leben, das sie durch einige Hochs und Tiefs schlußendlich auf den Weg der Selbstbestimmung führte, den sie sehr konsequent verfolgt. Viel Spaß.

Kathi
Hallo, so schön, dass du da bist hier beim Podcast „Alltagsweib“. Ich bin Kathi und ich bin hier, dieser Podcast ist hier, um dir das alltägliche Leben und die alltägliche Weiblichkeit näher zu bringen. Ohne Schnickschnack und von Frau zu Frau. Mein heutiger Gast hat in der letzten Folge die Schnell-Fragerunde schon gut überstanden und ist heute nochmal hier zum gemütlichen Plausch, um über ihr Leben zu reden. Und ja, ich finde es toll, dass sie wieder hier ist. Hallo Judith.

Judith
Hi Kathi.

Kathi
Judith, wir kennen uns ja jetzt schon länger. Hast du gerade auf dem Schirm wie lange?

Judith
Die Frage gebe ich zurück.

Kathi
Und um ehrlich zu sein, ich hatte mir in der Vorbereitung für dieses Gespräch wirklich Gedanken darüber gemacht. Ich weiß nur, dass es verdammt lang her ist.

Judith
Ich glaube, wir haben uns kennengelernt, als ich 16 oder 17 war.  So um den Dreh rum.

Kathi
Für unsere liebe Zuhörerinnen da draußen: Wie alt bist du jetzt?

Judith
Zarte 32.

Kathi
Also ist es wirklich verdammt lange. Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?

Judith
Oh ja, das ist mir total im Kopf hängengeblieben. Ich habe schon früh angefangen mit tanzen. Ich meine, mit vier oder fünf Jahren ging es bei mir los mit Ballett. In meiner Teenie-Zeit hat mir dann eine Bekannte von einer Tanzlehrerin vorgeschwärmt, noch und nöcher und hat mir vorgetanzt und Übungen gezeigt. Und das hat mich irgendwie gefuchst und ich dachte, da muss ich jetzt einfach mal hingehen und mir das anschauen, um dieses Feeling einfach mitzunehmen. Und da stand sie, die Kathi und hat mich total mitgerissen und ich hab mich sofort für die Kurse angemeldet und so. So haben wir uns kennengelernt. Genau.

Kathi
Tatsache, Du warst eigentlich ursprünglich eine Schülerin von mir.

Judith
Das ist richtig, ja.

Kathi
In meinem früheren Leben als Tanzlehrerin.

Judith
In deinem früheren Leben. Genau so hat das alles angefangen. Und daraus ist eine richtig tolle Freundschaft geworden und so viel mehr.

Kathi
Ja, finde ich auch. Es ist spannend zu sehen, wie auch Tanz verbindet. Also zwei Menschen, die sich sonst so im Leben nicht kennengelernt hätten, sind Freundinnen geworden, oder?

Judith
Absolut.

Kathi
Ja. Also ich finde es faszinierend. Wir haben uns ja dann lange nicht gesehen. Du weißt, oder du wusstest für dich, warum. Ich wusste es nicht. Für mich warst du einfach nur weg auf einmal. Und dann war es im letzten Jahr so – zack – da warst du wieder da. So und für mich war es wie früher. Ich weiß nicht. Ging es dir auch so?

Judith
Tatsächlich. Ja, es gibt ja so Momente, Freundschaften. Da kann man irgendwann nach ein paar Jahren nichts mehr miteinander anfangen, weil sich einfach so viel verändert hat. Die Ansichten, die die Lebenssituation und bei uns war es tatsächlich so und wir sind wieder aufeinander getroffen. Für euch Zuhörer: Ich bin glaube so ab Mitte 20 mal abgetaucht. Möchte ich es jetzt mal so nennen. Und genau. Und Kathi und ich haben uns wieder getroffen und es war, als ob wir uns eine Woche nicht gesehen hätten. Es war wie früher.

Kathi
Als hätte sich nichts geändert.

Judith
Genau. Obwohl sich tatsächlich doch sehr viel geändert hat.

Kathi
Und genau darüber reden wir nämlich heute. Ich möchte auch gleich zur ersten Frage kommen, die ich glaube, die geht schon richtig tief. Was mir nach unserem ersten Treffen vielleicht, ich glaube, es war sogar eher eines der weiterführenden Telefonate, ich kann mich gar nicht mehr dran erinnern, vielleicht weißt du es noch, aber es war so ein Satz, der mir total hängen blieb, den du sagtest. Und zwar war das: Jetzt bin ich keine 30, im Sinne von „Ich bin jetzt so jung und bin schon alleinerziehende Mutter und geschieden“. Kannst du dich an den Satz noch erinnern?

Judith
Ja, tatsächlich ja.

Kathi
Und das war für mich so auf der einen Seite, in dem Moment, konnte ich gar nicht damit umgehen. Weil auf der einen Seite war es für mich so, es kam so rüber, als würde dich das belasten, weil du jetzt so diesen Stempel aufgedrückt bekommen hattest, von wem auch immer, vom außen, von dir selbst, vielleicht sogar. Nach dem Motto „ich bin jetzt so jung und schon geschieden“. Im Prinzip „ich habe versagt“ und auf der anderen Seite aber auch sehr befreiend. Also wie war das für dich? Erzähl einfach mal

Judith
Das Wort Stempel trifft es eigentlich ganz gut, weil es es wirklich so aufgedrückt war. Weniger von außen, sondern tatsächlich eher von mir selber. Okay, dieses geschieden sein. Man muss dazu sagen, ich selber wollte das so. Ich habe mich von meinem Mann damals getrennt. Aber dieses Gefühl einfach zu haben oder auch das auszusprechen „Ich bin jetzt geschieden“, das hört sich nicht noch nicht gut an. Also es gibt da tatsächlich noch das eine oder andere, was aufgearbeitet werden muss. Definitiv. Das ist einfach eine Gefühlssache.

Kathi
Es ist ein langer Prozess.

Judith
Ja, tatsächlich. Also während dem Scheidungsprozess war das alles gar kein Problem. Es ging alles seine Wege. Aber jetzt, wo es halt durch ist und ich auch drauf angesprochen werde „Ah, du bist geschieden“. Wenn ich dieses Wort höre. Ich mag dieses Wort einfach nicht

Kathi
Bist du dir oder warst du dir bewusst darüber, dass dieser Stempel gar nicht so sehr von außen kommt, sondern dass du dir den selbst aufdrückst?

Judith
Ja,

Kathi
Okay, und was macht dann dieses Wort für dich so negativ? Kannst du das greifen?

Judith
Ich denke, viele Frauen auch haben so ihrem Lebensplan in Anführungsstrichen wie es der Klassiker ist bei vielen. Man möchte den Traumpartner kennenlernen, man möchte das Haus kaufen, man möchte Kinder, man möchte eine wundervolle Ehe, sodass es zu einer Lebensplan in Anführungsstrichen von vielen Menschen,..

Kathi
…Weil man es halt so macht.

Judith
Weil man es halt so macht. So ein Satz, den ich hasse, weil man es halt so macht. Genau. Und für mich ist der Plan nicht aufgegangen. Okay, ich habe mir mein Leben anders vorgestellt und auch dadurch, dass wir Menschen ja alle oder viele Gewohnheitstiere sind und dass der komplette Plan dann einfach über den Haufen geworfen wird. Also da musste ich mich auch erst mit arrangieren.

Kathi
Und wie hast du dir dein Leben vorgestellt?

Judith
In Zweisamkeit mit Partner für meine Kinder natürlich. Ich bin jetzt alleine mit meinen Kindern, was natürlich viele Schwierigkeiten mit sich birgt, aber natürlich auch viele Momente mit dabei sind, die ich in der Partnerschaft vielleicht auch gar nicht hätte.

Kathi
Aber du hattest schon das Bild von einer glücklichen Beziehung. Ehe mit Kindern und sesshaft sein, oder? Ich meine, wenn man jung ist, hat man ja wilde Träume. Was waren so deine Träume? War das schon dieses ich möchte Ehefrau und Mutter sein, oder? Ja, was war, was war dein Plan?

Judith
Genau das war im Großen und Ganzen der Plan. Natürlich wollte ich noch die ganze Welt bereisen. Dazu reden wir später vielleicht mehr. Das war so mein Traum. Und zack, wurde ich schwanger. Genau. Aber im Großen und Ganzen war das schon so okay. Ich hatte mein Partner und ich wollte eben sesshaft sein, langfristig gesehen. Genau dieser Plan. Der hat einfach nicht funktioniert. Da hätte nicht sein sollen.

Kathi
Hast du das Gefühl, dass eine Frau ja wirklich nur eine vollwertige Frau ist, wenn sie verheiratet ist, dieser Status „ich bin Ehefrau“. Macht das eine Frau wirklich zu einer Frau?

Judith
Absolut nicht. Nein. Also die Aussage würde ich auf gar keinen Fall unterschreiben. Frau sein bedeutet viel, viel mehr als das, nur weil man in einer Partnerschaft ist oder Kinder hat. Das ist nicht Frau sein.

Kathi
Und woher kommt dann dieser Wunsch? Man beobachtet es ja sehr häufig. Auch wenn ich mich in meinem Freundeskreis unterhalte. „Ich wünsche mir schon, verheiratet zu sein.“ „Oh, wann fragt mich denn endlich?“. Also wieso definiert man sich darüber?

Judith
Ich denke, das hat sehr viel mit unserer Erziehung zu tun, weil es genau das ist, was wir vorgelebt bekommen. Erstens mal von den Eltern. Zweitens ist es natürlich auch der Standard grad bei uns hier in Deutschland. Das ist einfach der Standard. Man macht es halt so. Da kommen wir gerade wieder zu diesem schönen Satz hin. Man bekommt es vorgelebt von allen Ecken und Enden. Und wenn du verheiratet bist und wenn du Kinder hast. Das wird von der Gesellschaft eigentlich schon vorgelebt.

Kathi
Und genau das meinte ich nämlich, dass es vielleicht doch schon zum Standard-Paket einer Frau dazugehört. Also du bist Frau, wenn du genau diese Dinge erfüllst. So hab ich manchmal das Gefühl, dass uns das schon so vorgegeben wird. Du wirst als vollwertige Frau gezählt, wenn du Kinder bekommst. Wenn du verheiratet bist. Wenn du schön als Ehefrau fungierst in Anführungsstrichen. Das ist so, hab ich manchmal den Eindruck.

Judith
Ich finde, dass du mit dem Eindruck komplett richtig liegst. Das ist einfach bei uns im Land so, dass es erwartet wird. Es werden ja auch viele Dinge ausgelegt für Familien. Es gibt viele Vorzüge, auch steuerlich für Familien. Es ist eigentlich alles darauf ausgelegt. Die ganze Politik setzt sich in den Köpfen fest. Und das ist auch definitiv, denke ich, mit der Erziehung in den Köpfen der Frauen verankert. Du musst das machen, um wirklich als vollwertig angesehen zu sein, aber in meinen Augen absoluter Bullshit.

Kathi
Ja, meinst du wirklich, es hängt von der Region ab? Also in einer ländlichen Gegend ist es mehr so?

Judith
Gute Frage. Ich denke, dass das keinen Unterschied macht, ob Land oder Stadt. Es ist wirklich dein privates Umfeld, was es ausmacht, weil du von deinem privaten Umfeld in erster Linie lernst. Je älter du wirst, umso mehr Faktoren kommen dann natürlich mit zu. Aber du bekommst natürlich viel in die Wiege schon mit reingelegt in Anführungsstrichen.

Kathi
Ja, also es ist dann immer noch deine Entscheidung, ob du dich dem beugst oder ob du letztendlich dein eigenes Ding machst.

Judith
Definitiv. Das muss jeder für sich selber rausfinden. Was ist so wichtig für mich? Wo liegen meine Prioritäten und vor allem ganz, ganz wichtig wie stell ich mir mein Leben überhaupt vor.

Kathi
Ja und dann kommen wir mal zu deinem Ding. Du hast schon so eines kleines bisschen gespoilert. Ich auch. Du bist geschieden. Lass uns mal auf deinen Ex-Mann zu sprechen kommen. War er für  dich der Mann, mit dem Du unbedingt verheiratet sein und Kinder haben wolltest?

Judith
Tatsächlich ja, ähm…Mein Ex-Mann und ich haben uns kennengelernt, da war ich 16 und das war – wie man so schön sagt – die Liebe auf den ersten Blick. Das hat gefunkt, es hat gekracht. Das war, es hätte so sein sollen und genau mit diesem Mann wollte ich Kinder haben, wollte ich heiraten, ja.

Kathi
Wow. Und was hat sich geändert?

Judith
Was hat sich geändert? Puh, die 10, 12 Jahre, die dazwischen liegen haben sich geändert. Man entwickelt sich natürlich. Wir haben uns jung kennengelernt. Natürlich hat man in dem Alter nicht die Reife, die man jetzt mit 30 hat, muss man mal ganz klar so sagen. Geändert hat sich der Weg zu mir. Wie formulier ich das, fasse die Gedanken in Worte? Es ist natürlich so, ich bin schwanger geworden und war dann einfach in der Rolle „Mama“ drin, „Mama“ & „Ehefrau“. Bei mir war das einfach so, ich hab mich nicht mehr auf mich fokussiert. Und das war das schlimmste und oder ist generell das schlimmste, finde ich, was einer Frau passieren kann. Wenn man sich selbst verliert, wenn man nicht mehr weiß, wer man eigentlich ist, weil man ist jetzt Mama und man muß Mama sein. Man hat sich um das Kind zu kümmern und man vergisst sich selber. Man macht sich auch überhaupt keine Gedanken mehr, so ging es mir zumindest, was tut mir gut. Was möchte ich jetzt, was ist für mich wichtig? Ich war irgendwann an dem Punkt, wo ich nur noch funktioniert habe.

Kathi
Ok und du meinst, dass ist so das, was euch auseinander gebracht hat?

Judith
Ja, auf jeden Fall, weil ich natürlich irgendwann angefangen habe, mich mitzuteilen und auch meinen Standpunkt klar gemacht habe. „Hör zu, dass funktioniert gerade einfach so nicht. Ich fühl mich nicht mehr wohl.“ Wir müssen an uns arbeiten. Ich meine 10 Jahre sind 10 Jahre. Da passiert sehr viel. Man entwickelt sich, muß jetzt nichts Negatives sein. Entwicklung ist natürlich etwas super tolles, nur man entwickelt sich nicht immer in die gleiche Richtung. Und um eine Ehe erhalten zu können, stabil halten zu können, muß man einfach viel miteinander kommunizieren. Das hat bei uns irgendwann einfach nicht mehr stattgefunden in dem Maß, wie es gesund gewesen wäre. Jeder war nur noch für sich. Er war mit der Arbeit, nach der Arbeit war er mit Freunden oder mit dem Haus beschäftigt und ich war halt Mama. Genau.

Kathi
Waren es denn Wunschkinder?

Judith
Tatsächlich nein. Ich muß ein bisschen Lachen. Für alle Hörer da draußen. Ich bin der eine Prozent. Der eine Prozent, der auf der Packung steht, wenn es heißt, „Verhütung ist sicher zu 99%“. Genau. Es gibt diesen 1%. Der ist jetzt gerade hier anwesend. Ich habe anfangs verhütet mit der Pille, standardmäßig natürlich. Und ähm, siehe da unser Erstgeborener ist ein „Pillenkind“. Tut der Sache nichts zum Abbruch. Ich habe zwei Kinder. Auch mein zweites Kind war kein Wunschkind. Ich hatte dann umgeschwenkt auf die 3-Monats-Spritze. Hatte dann die gleichen Symptome wie bei der ersten Schwangerschaft, wo ich dann im Wohnzimmer stand und dachte „oh mein Gott, das hattest du doch schon mal!“. Und war wieder schwanger, trotz Verhütungsmethode. Hat bei mir einfach nicht funktioniert. Mein Frauenarzt wollte es auch nicht glauben.

Kathi
Wow. Geh mal so bisschen in das Gefühl rein. Wie ist das so, wenn man da einfach jetzt schon im Prinzip alles wie Mögliche tut mit der Verhütung, dass es nicht zu einem Kind kommt, zu einer Schwangerschaft und dann hört man dieses Ergebnis: „Judith, Sie sind schwanger.“. Was ist das für ein Gefühl erstmal?

Judith
Ähm, als ich von meiner ersten Schwangerschaft erfahren habe, ist für mich meine ganze Welt zusammengebrochen.

Kathi
Tatsächlich?

Judith
Ja. Ich war 25, ich hatte einen tollen Job. Ich war in der Führungsebene, ich hab meine eigene Filiale geleitet,. Ich hatte mein Team unter mir, ich habe meinen Job geliebt. Ich wollte genau da sein, wo ich war und mit dem Wunsch „ok, ich starte da jetzt voll durch.“ Ich hab jetzt mein Business. Ich möchte die Welt entdecken. Ich möchte reisen, ich möchte die Länder kennenlernen und zack, schwanger. geht nicht mehr. Da kommt jetzt jemand, das geht jetzt nicht mehr so wie du dir das vorgestellt hast.

Kathi
Also da macht dir quasi das Leben, wie es manchmal so ist, einen Strich durch deine Lebensplanung.

Judith
Absolut! Total! Ihr hört es schon raus: Meine Pläne wurden mehrfach durchkreuzt, haben so nicht mehr funktioniert. Das hat mit der Arbeit schon angefangen. Ich hatte die ersten Monaten der Schwangerschaft ganz klassisch: Übelkeit, pipapo, weil ich es einfach nicht akzeptiert hatte, diese Schwangerschaft. Ich konnte auch nicht mehr ganz bis zum Schluß meiner Tätigkeit nachgehen. Also ich bin früher in den Mutterschutz gegangen als geplant. Ich konnte meine Tätigkeit nicht mehr ausüben, konnte auch nicht mehr in dem Maße in meine Tätigkeit wieder einspringen, weil ich eben hätte bis 20 / 21 Uhr abends hätte arbeiten müssen. Das ist mit Baby, mit einem Neugeborenen, einfach nicht machbar. Das war schon mal der erste Brocken, den ich verdauen mußte. Ich konnte meine Tätigkeit nicht mehr ausführen.

Kathi
Hast du dich so ein bisschen darüber definiert? Würdest du das sagen?

Judith
Tatsächlich, ja. Ist, denke ich, auch so ein Fehler in Anführungszeichen, in unserer Gesellschaft, dass viele sich über die Arbeit definieren. Aber auch das kriegt man ja teilweise vorgelebt, leider Gottes. Ich hab mich durch meine Arbeit definiert, aber ich hab sie wirklich sehr gerne gemacht. Etwas zu haben, was man halt nicht mehr so ausüben kann, was man mag, ist schwierig. Schwierig zu verarbeiten. Ich habe es lange Zeit nicht verarbeitet und eben auch dieses mobile, die Flexibilität. Ich gehe jetzt in den Urlaub, ich mach jetzt noch eine Rücksack-Tour durch keine Ahnung, durch die Pampa. Das geht mit Baby nicht. Geht natürlich schon, aber ist schwierig. Das war eben der zweite Brocken. Mein Plan, den ich hatte für die nächsten Jahre, den konnte ich nicht umsetzen.

Kathi
Und wie hat dein Ex-Mann auf die Schwangerschaft reagiert?

Judith
Der hat, also während ich seelisch am Boden lag, Luftsprünge gemacht. Ich hatte, weil ich diese Nachricht nicht akzeptiert habe,  hab ich mir drei Schwangerschaftstests geholt, in der Hoffnung, dass da irgendwie ein Fehler vorliegen muß. Vielleicht muß ich dann nochmal einen Test machen. Alle drei Tests waren positiv. Mein Gott. Er hat sich gefreut wie Bolle, weil er eben Vater werden wollte und ja, mit mir Papa werden wollte. Für ihn war das ein Segen. Bei ihm hat die Freude, die Freude ist aus den Augen rausgelaufen, möchte ich mal jetzt so sagen.

Kathi
Cool. Wie hat sich denn dieses Eingangsgefühl „ich möchte nicht schwanger sein“ verändert während der Schwangerschaft?

Judith
Huh, Prozess, Prozess, Prozess. Also anfangs mit Niedergeschlagenheit, mit Pläne kaputt, Leben über den Haufen geworfen, ist es dann erstmal umgeschwungen in Angst. Ich hatte Angst, weil ich nicht wußte, was es heißt Mama zu sein. Das war, ich wollte das nicht. Ich muß das klar sagen, ich wollte das zu dem Zeitpunkt nicht. Ich hatte Angst die Schwangerschaft meiner Vermieterin zu verkünden. Auch so ein Ding. Ich war nicht verheiratet, wir haben nicht zusammen gewohnt und plötzlich war ich schwanger. Ja, ich hatte Angst tatsächlich auf die Reaktion von meinem Umfeld. Angst auch vor dem Arbeitgeber. Wie reagiert der jetzt da drauf. Angst hat mich sehr sehr lange begleitet.

Kathi
Und wieso? Wieso hat man Angst so was, was eigentlich was Schönes ist, der Familie mitzuteilen?

Judith
Weil ich wußte genau, wie die Erwartungshaltung meiner Familie ist und das natürlich definitiv nicht in die Erwartungen meiner Familie reingepasst hat. Spontan schwanger zu werden von einem Ausländer, mit dem man nicht verheiratet ist. Ja, es hat viel mitgewirkt. Wobei mich mein Ex-Mann auch wieder runtergeholt hat oder aufgefangen hat. Also ich bin wochenlang nur dagelegen und habe mir einen Kopf gemacht, wie machst du das jetzt. Ich hatte auch Angst wie ist das Kind zu mir. Ich will das Kind nicht. Wird mein Kind mich lieben? Oh Gott, ich hatte da auch wirklich panische Angst, dass mein Kind mich nicht liebt. Und mein Ex-Mann hat mich da wirklich wieder auf den Boden zurückgeholt, mich beruhigt und gesagt, „Du, wir schaffen das zusammen!“. Ja…

Kathi
Hat man Ängste „Oh Gott, ich schaffe diesen Job als Mama nicht“?

Judith
Ja, ja, weil ich mich vorher noch nie tatsächlich mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Ich war nicht bereit dafür, Mama zu sein. Deswegen habe ich mich auch nie gefragt, wie es sein würde oder was würde ich machen, wenn. Ja, überhaupt Gedanken zu dem Thema. Ich hatte auch in meinem Freundeskreis noch niemanden gehabt mit Kinder. In meiner Familie gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine kleinen Babys. Es war also ein Thema, was also wirklich ganz, ganz weit weg war.

Kathi
Ok. Gut jetzt sind die Kids ja da. Wie alt sind die beiden denn?

Judith
Mittlerweile sind meine Jungs, ich wollte ein Mädchen. Ich habe zwei Jungs. Vier und sieben. Der Levent ist jetzt sieben geworden im Dezember, Tuncay vier.

Kathi
Ok. Sie sind jetzt eben da und ich kenne sie ja auch, die beiden. Wie würdest du jetzt heute dein Mutter-Sein beschreiben?

Judith
Puh. Viel, viel, vielseitiger. Mutter-Sein. Ich habe mich mittlerweile in der Rolle voll und ganz eingefunden. Es mußte tatsächlich so sein. Teils chaotisch, authentisch. Miteinander wird ganz, ganz groß geschrieben. Am Anfang war das natürlich, „Oh Gott, wie mach ich das jetzt?“ und „Mein erstes Kind. Oh Gott, keine Ahnung von dem, was ich hier überhaupt tue!“. Mittlerweile bin ich wirklich stolz in meiner Funktion als Mama. Ich bin gewachsen an der Rolle und ich würde sagen, wir kriegen das zu dritt richtig gut hin.

Kathi
Also ein Happy End?

Judith
Genau. Happy End würde ich es so beschreiben. Es ist ein Weg, den ich gehen mußte. Es ist ein Weg der zu meiner Entwicklung dazu gehören mußte und ja..

Kathi
Würdest du von dir selbst sagen, dass du durch die Schwangerschaft und durch das Mutter-Sein mehr Frau geworden bist?

Judith
Hm. Tatsächlich, ja. Wie ich vorhin angeschnitten gehabt habe. Im jungen Alter ist man sich einfach vielen Sachen noch nicht bewusst. Sei es, was es heißt Frau zu sein, was heißt es Mensch zu sein, was heißt es Mama zu sein, was heißt, ich zu sein. Auch das lernt man natürlich nicht. Wir werden unterrichtet in der Schule in Mathe, Deutsch, Englisch und gut ist. Aber die wirklich wichtigen Dinge im Leben, die kriegen wir einfach nicht beigebracht. Wichtig, sich selbst zu lieben. Nicht nur einen Partner zu lieben, sondern sich selbst zu lieben. Das ist ganz, ganz wichtig. So etwas kriegt ein Deutscher nicht beigebracht. Das geht ziemlich unter.

Kathi
Mhm, weil du es gerade so explizit gesagt hast, meinst du das ist in anderen Kulturen anders?

Judith
Definitiv ja. Wir sind einfach ein Rechtsstaat. Wir sind so Zahlen, Daten, Fakten. Alles muß praktisch und effektiv sein. Das ist in anderen Ländern anders. Ich muß nur rüber gehen nach Frankreich. Ich fühle mich in Frankreich viel wohler, weil die Menschen dort ganz anders sind.

Kathi
Geht mir auch so, ja

Judith
Weil die Menschen lockerer sind. Sie sind entspannter. Sie sind nicht so unter Zeitdruck. Die werden anders groß gezogen und in Frankreich ist es ja nur ein bisschen. Wenn ich jetzt in ein ganz anderes Land gehe. Wenn ich in die südlicheren Regionen gehe, da wird schon mehr Wert darauf gelegt, dass man sich wohl fühlt, dass man das Leben genießen kann.

Kathi
Ja und die Familie steht einfach im Vordergrund.

Judith
Genau, definitiv. Da geht es nicht nur um´s Geld verdienen, sondern es geht wirklich um das Leben. Man muß sich wohl fühlen, weil, sind wir mal ehrlich, wir haben ja nur das eine Leben. Da bringt´s mir nicht wirklich viel, wenn ich einen geilen Job hab, wenn ich Kohle scheffel, erfolgreich bin, was hab ich dann vom Leben, wenn ich gerädert bin ohne Ende. Das Leben ist ein Geschenk. Ich hab am Ende wirklich nichts davon.

Kathi
Ja. Kannst du dich denn noch an dein Leben vor dem Mama-Sein erinnern?

Judith
Grau, ja! Also man muß ja so sagen, es gibt ja die sogenannte Stilldemenz. Es wird nicht besser. Auch nach 7 Jahren, ich bin vergesslich ohne Ende, ich muß mir alles aufschreiben. Ja, ich kann mich daran erinnern. Es war eine geile Zeit. Eine unabhängige Zeit. Auch das, was mir zu schaffen gemacht hat „Ich bin jetzt unabhängig und kann von einem Tag auf den anderen entscheiden, was ich machen möchte.“. Es war schön, es war frei, unabhängig. Ich weiß noch, ich hatte kurz vor der Ehe, vor der Beziehung hab ich in einer WG gelebt mit einer guten Freundin. Es war eine wunderschöne Zeit. Wir haben das Leben genossen. Wir haben die Ausbildung damals genossen. Es war alles sehr spontan. Aber es war viel mehr mit Genießen verbunden, in den Tag reinleben und was machen wir heute, was machen wir nächstes Wochenende. Wo wollen wir hin?

Kathi
Vermisst du das?

Judith
Manchmal ja, weil ich mittlerweile sehr durchstrukturiert bin. Strukturiert sein muß bis zum gewissen Grad. Manchmal fehlt´s mir einfach auch mal am Wochenende auf der Couch rumzuhängen und so „Ich mach jetzt einfach mal gar nichts.“. Oder auch dieses, wenn andere Leute mir sagen „mir war so langweilig gestern“, ich kenne dieses Langweile-Gefühl nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wie sich das anfühlt. Ich hab das nicht mehr. Manchmal vermisse ich es.

Kathi
Glaubst du denn, trotz deiner gescheiterten Ehe, immer noch an die Liebe?

Judith
Jein. Ich habe für mich jetzt erstmal das Thema Liebe neu definieren müssen und ich denke, das muss auch jeder für sich selber machen. Weil man hat ja immer so dieses Klischee von Liebe. Mann, Frau und passt. Man liebt sich, aber da steckt einfach noch so viel mehr dahinter. Ja, einfach gefühlstechnisch, dadurch, dass ich mich jetzt einfach weiter entwickelt habe, ich kenne mich besser, ich kenne meine Gefühle besser. Deswegen kann ich für mich auch Liebe besser definieren in Anführungsstrichen. Ich denke schon, dass es die Liebe gibt, aber auch das ist einfach ein sehr komplexes Thema. Also wirklich nur einen Mann sehen und zack, boom, Liebe ist da. Das funktioniert nicht. Das gibt es so für mich nicht mehr so, weil ich jetzt weiß, was will ich. Also ich hab jetzt tatsächlich Erwartungen in Anführungsstrichen an die Liebe und da wird es dann auch schon wieder ein bisschen komplexer.

Kathi
Wie definierst du für dich denn Liebe?

Judith
Liebe ist für mich mehr als nur ein Gefühl.

Kathi
Ok

Judith
Ich hab mich mittlerweile selbst lieben gelernt. Auch etwas, was man auch lernen muß. Lernt man ja auch nicht in der Grundschule. Ich hab mich selbst lieben gelernt. Ich weiß jetzt mittlerweile, was ich von einer Beziehung oder überhaupt von meinem Partner erwarte und hab Ansprüche gestellt. Das heißt einfach nur ich habe eine Sympathie jemandem gegenüber und ich fühl mich körperlich angezogen, das reicht für mich nicht mehr aus. Also für mich ist Liebe wirklich auch das Hinhören und auch diese Kombination aus „Ich höre dir zu, aber ich fühle was du in dem Moment fühlst, weil sagen und fühlen sind halt zwei paar Schuhe“. Ich erwarte einfach von meinem Partner oder auch von der Liebe dieses ja, dieses reinfinden, weil – es ist so schwierig in Worte zu fassen.

Kathi
Ich habe, glaube ich, eine Tendenz oder ein Gefühl wo du hin möchtest. Also empfindest du Liebe nicht als romantisch also nicht als dieses romantische Bild.

Judith
Das trifft es ganz gut. Es ist nicht dieses rosarote romantische, so Candle-Light-Dinner, so Liebe. Sondern einfach, da steckt noch so viel mehr dahinter.

Kathi
Ja… Also eher so etwas pragmatisches wie so eine Zimmerpflanze, die man gießen muß und pflegen muß.

Judith
Definitiv. Also wir haben unsere Zimmerpflanze damals wohl nicht gegossen. So im Nachhinein. Die ist da so vor sich her gegammelt. Nein, es ist wirklich ein Miteinander, ein miteinander Leben und auch ein entwickeln. Kein Mensch kann mir erzählen, dass man heiratet und nach 10 Jahre ist es noch genau so wie vorher. Weil jeder Mensch entwickelt sich in irgendeine Richtung und man muß sich einfach miteinander entwickeln und wenn man merkt, der eine geht in die Richtung, der andere in die andere Richtung, kann man trotzdem noch zusammen sein, wenn die Kommunikation funktioniert, wenn man immer noch guckt, wo sind wir denn beieinander. Weil jeder sollte für sich selbst stehen. Man muß aber immer wieder neu auch herausfinden wie passen wir denn jetzt aktuell noch zusammen. Was sind die Gemeinsamkeiten, was sind unsere Erwartungen auch? Man hat immer auch am Anfang der Ehe Erwartungen, die werden am Anfang erfüllt. Aber, sind wir mal ehrlich, irgendwann ist es einfach nicht mehr so. Irgendwann ist der Alltag einfach mit da und dann ändert sich einfach sehr sehr vieles.

Kathi
Sind aber nicht eigentlich Erwartungen die Dinge, die Enttäuschungen schaffen? Weil wir sind ja alle nur Menschen und letztendlich glaube ich nicht, dass ich die Erwartungen von Menschen erfüllen kann, die jetzt Erwartungen an mich stellen. Das erfordert ja eine gewisse Perfektion und hey, wir sind Menschen, wir sind fehlerhaft. Somit ist im Umkehrschluss meine Erwartung an jemanden einfach so ein Risikoding, was mich enttäuscht sein lässt, eventuell.

Judith
Vielleicht ist das Wort „Erwartungen“ bisschen zu hart. Ich weiß mittlerweile einfach, was ich will und was ich nicht will. Und wenn ich weiß, mein Partner kann das, was ich möchte, nicht erfüllen und das in Form von Erwartungen, dann weiß ich schon ziemlich genau, ob das funktioniert oder nicht.

Kathi
Ok. Das hört sich für mich alles sehr kopflastig an. Was ist mit dem Herz?

Judith
Ja, genau! Das ist aber das, was ich versuche, irgendwie in Worte zu fassen. Es ist ja nicht nur so, ich möchte es so und so und so und der Partner muß so und so und so sein. Man fühlt mit dem Herzen. Man fühlt aber auch mit dem Körper. Dieses Zusammenspiel  hier von „was will der Kopf?“ und „was will das Herz?“. Alles zusammen natürlich.

Kathi
Ok. Ja! Es gibt ja auch noch eine andere Judith. Und zwar so die Business-Frau, ne? Erzähl mal so ein bisschen darüber. Wie funktioniert das, was machst du so konkret genau, erzähl mal! Harter Cut, aber erzähl jetzt mal.

Judith
Huh…wo fang ich an? Also für euch da draußen: ich bin im Direktvertrieb tätig seit knapp 3 Jahren. Ich habe bald mein dreijähriges Jubiläum. Das müssen wir feiern. Ich bin im Direktvertrieb mit Prowin. Habe damals angefangen erstmal mit Reinschnuppern, für diejenigen die mit Prowin nichts anfangen können: Prowin ist ein Familienunternehmen, was mittlerweile auch schon seit 25 Jahren beständig ist mit 3 Sparten, die sich gliedern in symbiontische Reinigung, Natural Wellness und Best Friends, also die Vierbeiner, unsere Fellnasen. Wir achten einfach sehr auf unsere Umwelt. Das heißt, es wird darauf geachtet „wie kann ich denn im Alltag der Umwelt was Gutes tun“. Wir gucken, dass wir das Plastikvorkommen in der Umwelt stark reduzieren. Die Reiniger, die wir haben, sind zu 100% biologisch abbaubar. Das ist mein Job. Ich vertreibe diese Produkte. Ich habe ursprünglich einfach mal ein bisschen da rein geschnuppert, weil ich damals auf der Suche war, nach etwas Neuem und zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Mein Alltag ist sehr, sehr chaotisch tatsächlich. Deswegen braucht´s bei mir noch ein bisschen Struktur. Gerade jetzt in Corona-Zeiten, dass die Kinder natürlich vermehrt zu Hause sind. Es ist eine absolute Vollkatastrophe. Es ist so, man hat natürlich die Vorführung, die Produktpräsentation. Ich hab die Kundenbetreuung und aber hab nebenher noch die Kinder und eine Haushalt. Das heißt, das mit Zeit planen, wie z.B. montags mach ich das, dienstags mach ich das, mittwochs mach ich das – funktioniert bei mir nicht. Es ist bei mir sehr, sehr spontan. Ich muß da einen Spagat machen und sehr, sehr flexibel sein und das auch jeden Tag auf´s Neue. Das heißt Gewohnheitsmensch ist nicht mehr drin. Du mußt flexibel sein in dem Job. Aber wenn der Wille da ist, dann funktioniert das auch.

Kathi
Und was hat sich durch diese Arbeit für dich verändert?

Judith
Meine Flexibilität tatsächlich, weil in fast jedem Job bist du natürlich zeitlich gebunden. Das ist als Mama ultra-schwierig, weil du hast natürlich nur deine Kindergartenzeiten oder Schulzeit von bis. Als Mutter bist ja meistens nur in dieser Zeit verfügbar. Das ist aber auch die Zeit, in der du nicht für den Haushalt sorgst, nicht für dich selbst sorgst. Es heißt, es muß so passen. Finde ich ganz ganz furchtbar, weil wir sind ja nicht nur eben Hausfrauen und Mama, sondern wir sind auch Mensch. Für mich hat sich durch den Job sehr viel verändert. Ich bin flexibel in meiner Arbeit. Das heißt ich kann meine Arbeitszeiten selbst gestalten.

Kathi
Also hast du bisschen Freiheit zurück gewonnen.

Judith
Sehr viel Freiheit sogar. Ich kann morgens selber bestimmen, ok mach ich jetzt meine Büroarbeit, wenn meine Kinder außer Haus sind oder mach ich sie abends, wenn sie jetzt schon wieder im Bett sind oder mal zwischen drin im Alltag. Ich bin sehr sehr flexibel.

Kathi
Ok und wie muß ich mir so einen Direktvertrieb vorstellen? Was machst du da genau?

Judith
Ich vertreibe, wie gesagt, unsere Produkte. Direktvertrieb in dem Sinne, ich habe meine Kunden, denen stelle ich die Produkte vor. Aktuell über die Online-Sparte, wie es eben jetzt so ist aufgrund der aktuellen Lage. Es geht natürlich aber auch live raus an den Mann. Ich stell die Produkte vor, ich verkaufe tatsächlich in keinster Weise, ich erkläre nur wie es funktioniert. Und durch meine eigene Begeisterung reiße ich die Leute aber schon so mit in meinen Bann, dass die natürlich auch alles haben wollen. Genau, ich erkläre wie die Produkte funktionieren. Das ist ein Teil meiner Aufgabe. Ein anderer Teil meiner Aufgabe als auch das Coaching. Das heißt ich hab auch mein Team mittlerweile aufgebaut, finde mich praktisch in dem Job wieder, den ich ursprünglich gemacht habe mit Team. Ich gehe auch wirklich stark ins Coaching. Das heißt, ich lehre anderen Menschen, meinem Team wie kommst du gut an den Kunden ran, wie stellst du die Produkte gut vor, ist aber auch sehr viel mit „sei authentisch“, „sei du selbst“, „mach dir Gedanken, wie du dein Geschäft führen möchtest“. Es ist also nicht nur das eine strickte Verkaufen sondern auch da hängt noch eine ganze Menge mit hinten dran.

Kathi
Also gehst du auch in die Richtung Business-Coaching?

Judith
Ja, tatsächlich, ja. Weil für mich ist Verkaufen nicht nur Verkaufen, sondern jeder kann in einen Laden reingehen, was kaufen und gut ist. Wenn du aber ein Business schaffen möchtest, erreichen möchtest, dann solltest du auch wirklich wissen, wer bist du, wo möchtest du hinkommen. Und da hängt auch wieder viel mit dran.

Kathi
Ja, klasse! Wie muß ich mir denn deinen Alltag so vorstellen zwischen Kochlöffel schwingen und Kundenterminen. Wie sieht das bei dir so aus?

Judith
Sollte am besten kein Kunde live bei mir zu Hause mitbekommen. Fängt natürlich ganz klassisch meistens morgens damit an, die Kinder zu versorgen, Frühstück und Vesper richten, Taschen packen und erstmal raus aus dem Haus. Ich weiß am Abend vorher dann schon, ok was liegt jetzt an. Das heißt, bin ich jetzt am Waren-packen, weil ich Ware angeliefert bekommen habe. Wobei mich da meine Kinder wirklich jetzt schon unterstützen. Das heißt, sie packen mit mir die Kartons aus, die sortieren die Produkte. Es ist ja mittlerweile schon ein Familienbusiness bei mir zu Hause. Da werde ich sehr unterstützt. Sie stempeln mir Kataloge mit ab. Das ist ganz ganz große Klasse. Das heißt, ich gucke vormittags, was kriege ich am besten ohne die Kinder hin. Kundentelefonate ist immer so eine Sache. Es ist natürlich am besten, wenn die Kinder außer Haus sind. Aber dadurch, dass ich auch viele Mamis mit am Telefon habe, lachen wir alle gegenseitig, wenn dann doch mal die Kinder im Hintergrund „Mama! Wisch mir mal den Popo ab!“. Weil wir einfach alle in der gleichen Situation sind.

Kathi
Genau! Genau das ist doch Alltagsweib.

Judith
Absolut. Es braucht mir keine erzählen, dass man Kinder hat und alles so glatt und flüssig und alles funktioniert, wie man es sich vorstellt. Nein, so ist es natürlich nicht. Man muß einen Spagat machen, zwischen Ware packen, Kundentelefonate, Programme auch zusammen stellen für die Vorführungen, die Präsentation hab ich meine Programme. Die möchten natürlich vorbereitet sein, dass ich dann nicht nur spontan da stehe und sage, was mach ich denn jetzt. Sondern ich muß mir natürlich auch Gedanken darüber machen, welche Produkte stell ich wem vor. Ich möchte auch meine Kunden kennenlernen. Das heißt im Vorfeld erfahr ich dann schon bisschen was über deren Prioritäten. Darauf richte ich meine Programme auch aus. Dann gehts natürlich ans Ware ausliefern. Da habe ich meine Kinder voll und ganz ins Boot geholt. Die wissen mittlerweile auch, hör zu, das und das Spielzeug gibt es nur, wenn es bei mir mit der Arbeit funktioniert. Wir machen uns dafür auch schon eine richtige Tafel, Jahrestafeln, was möchte ich haben, was möchte ich erreichen. Das mache ich für mein Geschäft, für mich auch privat. Mit meinen Kindern habe ich es letztes Jahr zu Silvester das erste Mal auch gemacht. Die haben dann ihre Wünsche und Träume mit aufgeführt. Natürlich 90% Lego. Man muss dann aber auch klipp und klar sagen, wenn du das Lego haben möchtest, dann dann müssen wir zusammen etwas dafür tun. Sprich, die Arbeit muß laufen. Und so nehm ich sie mit bei der Warenauslieferung, das machen die tipp top mit. Die wissen, die Ware wird ausgeliefert. Danach können wir auch ein Eis essen gehen oder das Lego, was ich mir wünsche, liegt dann demnächst unterm Weihnachtsbaum.

Kathi
Ok, cool. Lass uns nochmal in das Bild vom Kochlöffel-Schwingen zurückgehen. Ich weiß ja, ihr lebt vegan. Die Kinder auch?

Judith
Genau, ja.

Kathi
Ok, und wie lange schon?

Judith
Wir sind jetzt tatsächlich seit ja seit ein bisschen mehr wie ein Jahr in dieser Thematik bewusst drinne.

Kathi
Und wie klappt das so?

Judith
Erstaunlich gut. Aber ich denke, ich hatte auch ein sehr sehr einfachen Weg, weil ich mich nie bewusst für vegane Ernährung entschieden habe. Ich denke, für die Leute, die sich bewusst dafür entscheiden, für die ist es schwieriger. Bei uns hat sich´s ins Leben reingeschlichen und ich bin dafür auch sehr, sehr dankbar. Angefangen hat es schon vor 7 Jahren mit der Geburt von meinem ersten Sohn. Der ist mit Neurodermitis schon zur Welt gekommen und wir wußten natürlich nicht,  woran es lag. Wir haben alle Cremes und Salben, auch cortisonhaltige, alles durchprobiert, weil die Ärzte wissen ja, was sie tun, sollte man meinen. Gerade beim ersten Kind vertraut man natürlich auf die Ärzte. Auf die Rezepte, die man da bekommt. Nur hab ich dann tatsächlich nach Jahren leider Gottes erstmal festgestellt, dass es an der Milch lag. Es lag schlichtweg an der Milch. Wir haben alle Milchsorten dann irgendwann durch probiert, von lactosefrei bis Hafer-Kokosnuss-Haste-Nicht-gesehen und für mich war dann einfach schon das Thema Milch. Das war so das erste was ich bewusst wahrgenommen haben.

Kathi
Wow.

Judith
Danach war dann erstmal eine ganz, ganz lange Pause und in den letzten 2 Jahren ist mein Verlangen nach Fleisch dramatisch, drastisch zurückgegangen. Mir war das nie bewusst. Mir ist das tatsächlich irgendwann aufgefallen, wo ich gemerkt hab, ok nur noch alle 2 Woche mal ein Steak oder so. Ich war auch begeisterter Fleischesser. Ich habe Steak geliebt, Rindersteaks gut zubereitet oder auch die Kinder, Chicken-Nuggets, Wurst auf´s Brot. Das war bei uns Alltag. Und irgendwann ist mir dann mal aufgefallen, dass immer seltener Fleisch auf der Liste stand. Dann kam dann hinzu, dass ich den Geruch von frisch gekochten Eiern richtig ekelhaft fand. Ich konnte mir das so überhaupt nicht erklären. Nur irgendwann war es dann wirklich bewusst bei mir auch auf der Front, ok, ich hab kein Bedürfnis mehr nach Fleisch. Ich mag den Geruch von Eiern nicht mehr. Wo kommt denn das überhaupt her. Ich hab es dann aber irgendwann sein lassen, hab mich mit dem Thema nicht mehr so auseinander gesetzt. Womit ich mich auseinander gesetzt habe, war das Thema Krankheit, auch Spiritualität. Ich habe viele Podcasts auch angehört, viele Videos angehört von Herrn Dahlke. Wo mich die Thematik wieder mit reingezogen hat und der Dahlke ist natürlich auch begeisterter Veganer. Wozu ich dann wieder mit diesem Thema angefangen habe. Ich habe Bücher gelesen und mir ist es bei einem Buch wie die Schuppen von den Augen gefallen, wie man so schön sagt. „Klar, vegan!“, Vegan oder gar nicht. Ich habe dann radikal wirklich umgestellt. Alle Milchprodukte, alle Fleischprodukte komplett weg. Man geht auch ganz anders einkaufen. Mir hat es aber tatsächlich Spaß gemacht, weil es war etwas Neues für mich. Ich wollte das wirklich aktiv ausprobieren. Hab meine Kinder auch da wieder gleich ins Boot geholt. Ich habe gemeint, hört mal zu, so und so schaut es aus. Wir probieren das jetzt erstmal aus. Es war jetzt nicht so, wo ich sage, auf biegen und brechen, wir machen das jetzt. Sondern wir probieren uns das jetzt erstmal durch, auch wie wir damit klar kommen. Das es weniger Fleisch gegeben hat, das waren sie ja schon gewohnt. Das war gar nicht das Problem. Ich habe anfangs dann ein bisschen umgeschwenkt für die Kinder wohl bemerkt so Fleischersatzprodukte mit Soja-Chicken-Nuggets in Anführungsstrichen oder diese Würstchen. Wobei sie das nicht gut angenommen haben. Das fanden die total eklig. Und für mich war es dann auch, ich habe es selber teilweise mit gegessen. Nein, auch das geht für mich nicht, weil ich das Gefühl hatte, ich kaue da auf einem toten Kücken drauf rum. Also ich konnte es tatsächlich nicht mehr. Genau, so ist es bei uns alles ins Wandeln gekommen.

Kathi
Spannend. Und bist du in deiner Haltung sehr dogmatisch oder wie funktioniert es, gerade wenn die Kids beispielsweise mal irgendwo eingeladen sind, wo die Leute nicht vegan leben?

Judith
Jein. Ich zu Hause bin da sehr, sehr streng. Auch weil ich tatsächlich, was noch sehr sehr toll dazugekommen ist, neben der Neurodermitis, sind wir in der Familie auch sehr schon angehaucht mit Asthma und auch seit Kindesalter hab ich Probleme gehabt mit Asthma. Mein Großer auch, der hat einen Inhalator zu Hause und seit wir umgestellt haben, haben wir weder Probleme mit Neurodermitis noch mit Asthma. Also es ist wunderschön, diese Begleiterscheinungen mit ansehen zu können. Ich denke, jede Mutter kann es nachvollziehen. Ich zu Hause bin sehr, sehr streng. Also mir kommt wirklich nichts auf dem Tisch wo auch nur irgendwie hier Molkepulver irgendwo mit drunter gemischt ist oder so was. Wobei ich natürlich auch abwägen muß, wie ist es außerhalb. Außerhalb ist nochmal eine ganz andere Welt. Fängt beim irgendwo anders essen gehen an. Ist schwierig. Bei den Kindern seh ich das entspannt. Beispielsweise Kindergeburtstag: Ich kann ja, um Gottes willen, von keinem erwarten hey du bist da eingeladen. Ich ruf jetzt die Mutter und sag mein Kind darf aber nicht. Ich möchte meine Kinder um Gottes willen nirgendwo ausschließen. Was mir einfach wichtig ist, ich geb jetzt meine Wünsche, meine Gedanken auch zum Thema Ernährung an meine Kinder. Ich sage aber klipp und klar, hör zu, so sehe ich die Welt. Wie du sie später für dich erfährst, das mußt du alles selber entscheiden. Das heißt, ich sage, ich stehe voll und ganz hinter der veganen Ernährung. Ob du das später weiter führen möchtest oder wie du dich damit entwickelst und wohl fühlst, das wird dir später selbst – das mußt du später selbst abwägen und entscheiden. Die Entscheidung kann ich dir später nicht abnehmen. Jetzt wird gegessen natürlich was bei mir auf dem Tisch kommt. Die Entscheidung nehm ich zu Hause ab. Aber später, wenn sie größer sind, muß jeder für sich selber entscheiden. Und außerhalb ist es genau so. Sollen sie selber entscheiden dürfen. Darf ich jetzt diesen Kuchen essen mit Eier, Milch, Sahne, schlagmichtot oder möchte ich es nicht. Die Freiheit möchte ich lassen, weil ich denk, wenn ich jetzt schon hingehe und sage „Du darfst das nicht!“, dann geht das komplett nach hinten los.

Kathi
Und vor allem, so ging es mir als Kind, Verbote haben Dinge immer interessanter gemacht.

Judith
So sehe ich das genau so. Deswegen möchte ich das von Anfang an anders machen und auch dieses Ausschließen. Ich meine, wenn ich mich mal rein versetze, mein Kind, das auf dem Geburtstag, da gibt es was leckeres zu essen und ich sage, nein du darfst nicht. Die anderen Kindern würden ja meinen Kindern schon mal erschreckt angucken. Davor möchte ich meine Kinder auch bewahren. Dieses ich fühl mich jetzt ausgeschlossen von der Gruppe. Das finde ich ganz, ganz schlimm und um Gottes Willen, nein. Die Entscheidung dürfen sie später selber noch treffen und von dem her bin ich da jetzt, was außerhalb angeht, relativ entspannt.

Kathi
Wow. Judith, kommen wir zur offiziellen letzen Frage. Also war so ein bisschen der Gesundheitsfaktor so der Ursprung für euch, vegan zu leben und was bedeutet für euch vegan zu leben. Schließt das euer ganzes Leben inkl. Kleidung etc. mit ein oder jetzt erstmal Stück für Stück nur die Ernährung?

Judith
Tatsächlich sind wir ja mit der Ernährung da schon voll mit involviert und das Thema weitet sich jetzt aber auch aus. Also das heißt, ich lege jetzt auch Wert darauf, gerade im Bereich Kosmetik, das die alle vegan sind. Veganismus ist natürlich nicht nur die Ernährung. Ich denke, entweder machst du es richtig oder gar nicht. Ich weite mich da tatsächlich aus. Ich bin jetzt tatsächlich beim Thema durch meine Arbeit mit Reinigungsmittel sowieso. Wir haben über 90% unserer Produkte sind tatsächlich vegan. Weswegen ich mich dann nochmal ein ganzes Stück mehr verbunden fühle und eben auch Kosmetik. Duschgel, Cremes, Salben, auch dekorative Kosmetik oder so. Da lege ich mittlerweile auch schon Wert mit drauf und mein nächster Gedanke ist es auch schon, ok – Kleidung. Da geht es ja gerade weiter. Wolle, Leder – es wird immer bewusster sage ich mal, was eigentlich alles mit einspielt. Weil es ist natürlich nicht nur das Fleisch, auch da ist die Bandbreite richtig groß. Ich denke, man muß sich dem auch erstmal bewusst werden, wieviel in unserem Alltag aus Tieren gemacht wird. Also das ist manchmal wirklich sehr sehr erschreckend. Aber auch da wird das Bewusstsein bei uns mittlerweile erweitert und genau. Ich gucke schon drauf, dass wir da jetzt auch größtenteils auf die tierischen Inhalte verzichten.

Kathi
Findest du, dass vegan zu leben so ein Schritt weit Selbstverantwortung übernehmen heißt oder überhaupt Verantwortung übernehmen heißt?

Judith
Auf jeden Fall. Wir selber haben Verantwortung nicht nur für uns selber sondern auch für die ganze Welt und viele ziehen sich da immer so ein bisschen außen vor und sagen, mein Name ist Hase, ich weiß von nichts. Ich habe damit nichts zu tun, mit Hungerleid in Afrika oder Tierquälerei, damit hab ich nichts zu tun. Das stimmt aber nicht. Wir hängen da aber alle komplett mit drinne und zwar fängt das ja alles bei uns zu Hause mit an. Wir sind die Welle, die immer größer wird und wenn wir bei uns zu Hause nicht anfangen, was zu verändern, dann wird sich in der Welt auch nichts verändern. Aber das muß man bei den Leuten erstmal ins Bewusstsein rufen oder die wach rütteln, viele wissen das ja auch gar nicht.

Kathi
Ja, das stimmt. Judith, ich bin überwältig. Danke dir für diesen wunderschönen Plausch. Ich fand es gerade supertolle Schlußworte, gerade das mit der Welle. Jeder weiß, jeder der mich kennt weiß,  wie sehr ich mit dem Wasser verbunden bin. Deswegen find ich das jetzt einen richtig tollen Zeitpunkt, um hier einfach mal einen Cut zu machen. Ich würde dich gerne nochmal später zu einer Folge irgendwann einladen. Ich glaube, du hast heute ganz viel Input den Zuhörerinnen da draußen gegeben und ja, hey – vielen Dank. Und ich wünsch dir für deinen Weg, auch für deinen veganen Weg, deinen beruflichen Weg, für deinen Mama-Weg einfach alles Gute. Ich finde es geil, wie du das rockst usw. Du bist so ein richtiges Alltagsweib.

Judith
Vielen lieben Dank, dass ich hier sein durfte. Auch ich finde es immer wieder spannend, was in mir selber hochkommt, wenn man das alles mal so erzählt. Genau, ich freu mich natürlich, wenn ich wieder hier sein darf und euch vielleicht ein bisschen begleiten darf, inspirieren kann den ein oder anderen, von daher – ich wünsch euch nur das Beste!

Kathi
Ja, liebe Zuhörerinnen: das war die liebe Judith und meine Name ist Kathi. Ich verabschiede mich für heute und freu mich auf die nächste Folge hier bei Alltagsweib. Machs gut, bis dahin, ciao!