Genervt -
Raum gewinnen

Unsere Autorin Jana

Ich bin genervt. Am liebsten würde ich ins Bett gehen, schlafen, malen, lesen – alles gleichzeitig. Und dann bin ich genervt davon, dass ich lieber das machen möchte und nicht aktiv bin und nicht voller Tatendrang wirklich etwas tue. 

Wir haben Sonntag. 

Ich stelle fest, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich Nichts tun möchte. Zwei Teile sprechen gleichzeitig mit mir. Der eine Teil heult bei dem Gedanken los, dass ich doch einfach auch mal nichts tun kann. Da springt prompt der andere Teil in die Presche und ruft boshaft ein, dass ich ja nun nicht gerade überarbeitet wäre. Ich könnte ja wenigsten mit den Jungs ein bisschen Schule mache. Die sind wiederum gerade so was von unproduktiv und überdreht, dass mir zusätzlich jegliche Kraft & Muse fehlt, sie motiviert zu bekommen, dass wir uns mit Buchstaben beschäftigen. Aber die schlechte Mutter schafft es mal wieder nicht schafft ihre Bedürfnisse hinter die der Kinder zu sortieren. Da fängt der andere Teil gleich wieder an zu heulen. Der will einfach nur seine Ruhe, diesen Text schreiben, gleichzeitig diesen Tag nutzen, um eben auch zu malen.

Allein die Tatsache, dass ich mir, allein nur weil der umtriebige Papa nicht präsent ist, erlaube diesen Tag als „freien Tag“ zu bezeichnen. Auch nur dann kann ich nichts tun. Wenn mein Partner hingegen da ist, füge ich mich seinem Tempo. Was für eine traurige Vorstellung. Gleichzeitig empfinde ich es als gut, dass er so produktiv ist. Wie wenig würde ich schaffen, wenn er uns mit seiner bloßen Anwesenheit nicht alle zum Machen bewegen würde. Muß ich erst wieder Zeit mit mir allein verbringen, um zu wissen, was ich schaffen kann? Muß ich überhaupt ständig etwas schaffen? 

Nach den vielen Wochen unerträglicher Temperaturen haben wir endlich jene, die dich draußen sitzen lassen können ohne dass du dabei zerfließt. Oder du bestenfalls nichts bewegst, damit du nicht schwitzt. Der Geist und der Körper sind gar nicht im Stande überhaupt aktiv zu sein. Das ist aber ein geplättetes Nichtstun. Das hat auch wenig mit bewusstem Erholen zu tun. Jetzt, mit den angenehmen Temperaturen, bei einer dich kitzelnden und nicht mehr quälenden Sonne, ist das anders. Jetzt hat das was mit Genuss zu tun. Ich dagegen fühl mich einfach nur platt und habe gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, wenn ich denn endlich mal wieder nicht platt bin. Wann kommt denn mal wieder der pure Aktivismus, voller Energie sprühend durch? 

Sind es die Hormone, ist es der Beginn des Herbstes, ist es die Unwissenheit, was mich überhaupt noch sprühen lässt? (Sprühen war gerade eben ein „spüren“ – versehentlich verschrieben oder doch nicht?) Warum erlaube ich mir nicht Nichts zu tun ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben?

Ich bin traurig. Ich würde dem gern nachgehen, mir Zeit dafür lassen. Morgen ist Montag. Ich bin selbständig und doch prägen die sogenannten Werk-Tage in dieser Hinsicht noch immer mein Handeln & Denken. An einem Wochenende Arbeiten geht aber auch. Wobei das wiederum ok ist. Nur anders herum – an einem Werktag noch abschalten, bewusst nachspüren, wo ich gerade fest hänge, erscheint weniger erlaubt.

Gleichzeitig ist es doch auch Bullshit überhaupt herausfinden zu wollen, was mich davon abhält, wieder diesen kreativen Aktivismus inne zu haben. Warum kann es nicht einfach nur ein „ich mach mal eben Pause“ sein? Warum ist es immer gleich ein „Hänger“; etwas was „klemmt“, mich „ausbremst“ oder „abhält“? Ich mach einfach nur Pause. Die andere Stimme will wieder zu Wort kommen und meint, dass ich ja nun wirklich kein hartes Leben führe. Seit Jahren meine Tage selbst gestalte, wir immer in Familie sein können und eigentlich (das Wort wollte geschrieben sein, ließ sich nicht verleugnen) doch exakt nur das leben was wir leben wollen. 

Dann kommt die traurige Stimme hinzu und meint, dass sich mein Körper gerade verändert. Diese sogenannte Phase, in die Frauen um die Mitte / Ende Vierzig kommen. Aber wir sind einem ständigen Prozess und Wandel ausgesetzt. Denen geben wir ja auch nicht täglich einen Namen. Daher braucht ja nun auch diese Phase nicht für ein Alibi oder eine Erklärung herhalten. 

alltagsweib-eigener-raum

Manchmal einfach Meins tun können. Eine Tür öffnen, mein Reich, mein KrimsKrams, meine Stehrumskies, mein Kitsch, meine Basteleien, meine kreativen Ergüssen frei von den möglichen wertenden Augen anderer Betrachter. Ich liebe meine Kinder, meinen Mann – unsere Familie – unser Leben. ich brauch (einen) Raum für mich. Wo ich die Gewissensbisse, in Form von Kinder, Mann oder Computer vor der Tür lasse. Darin nur noch Buntstifte, Farbe, Pinsel, Bastelsachen, Magazine voller frischer Impulse und erinnernder Eselsohren. Ich weiß, dass das nicht egoistisch ist. Auch „weiß“ ich, dass es wichtig ist, um überhaupt frei von rollenbesetzten Impulse einen leeren Raum habe, der überhaupt ein unbesetztes Nachspüren erlaubt. Allein die Vorstellung hat etwas Erlösendes, glücklich Machendes. Kann ich, bis dieser Raum in Echt erbaut ist – trotzdem zwischendurch Nichts tun ohne auf den Kalender zu schauen oder trotz Anwesenheit meiner Familie?

Jetzt kommen sicher die Meditationsprofis daher und empfehlen mir diesen Raum innerlich zu schaffen. Dann bin ich ja unabhängig von einem analogen, lokalen Raum. Wichtig ist wohl die Entscheidung selbst, diesen Raum zu „brauchen“, um die Realisierung auf den Weg zu bringen. Ich habe eine Entscheidung getroffen. Es gilt dann für mich eine klare Regel zu errichten: wenn ich diesen Raum betrete, bleiben alle anderen Personen draußen. Auf dem Weg dahin keine Reaktion über am Boden liegende Kleidungsstücke, Chaos in den Betten oder Gedanken an Werk- oder Wochenend-Tage. An sich ist das ein guter Plan. (Zwischendrin haben wir gerade von dem Hund einen widerlichen Parasiten namens Hirschlausfliege entfernt. Was dieses „ich schalte da mal 100% ab von allem, was mich umgibt“ besonders unterstreicht sowie der Frage, wird das gut gehen?)

Es wird gut gehen, mal mehr und mal weniger. Der Plan steht. Ohnmacht, unerklärliche Traurigkeit bekommt jetzt ein Ventil: Atelier, Abstand, Auszeit, Abschalten – ganz viel mit „A“. Einfach „Nichts-Sein-Müssen“ beschreibt diesen Raum auch ganz gut. Keine sogenannte Rolle oder Aufgabe.

Allein, wie kindisch das klingen mag, aber in diesem (Zeit)Raum gibt es eben auch eben keinen Dino, auf den man versehentlich tritt, ist keine Erklärung nötig, warum meine Kinder nicht diesen einen Stift von mir nehmen können oder dass diese bestimmten Buntstifte einfach MEINE sind!!! Albern, 100% und doch gibt es dafür ausreichend Erklärung. Würde ich sie nicht wie die meinen vor meinen Kindern „bewahren“, wären sie nicht mehr vollständig oder in diesem benutzten, aber noch verwendbaren Zustand. Muss Mama nicht selbstlos sein? Dann nenn ich es eben Grenze setzen. Diese wenigen Stifte da in dieser einen Box sind für meine Finger bestimmt. 

Erster Stein zum eigenen Raum ist gesetzt.
Ich bau an meinem Raum