

Overwheling vs
Sich frei machen
Folge 05
(Anmerkung der Autorin: ich habe den englischen Begriff für „überwältigt“ gewählt, weil er für mich deutlich mehr der Fülle wiedergibt und zugleich sehr viele Facetten in sich birgt)
Vor ein paar Tagen hatte ich das erste Mal seit über 8 Jahren von früh 08 Uhr bis abends 17 Uhr sturmfreie Bude. Ich war komplett allein mit mir und unseren beiden Hunden. Am ersten Tag war die Vorfreude groß, die leichte Aufregung bei so viel freier Zeit komplett durch mich selbst gestaltbar kribbelig. Als ich davon, noch ganz früh an diesem Tag, einer Freundin erzählte, fragte sie direkt zurück, was ich denn mit so viel Möglichkeiten anfangen würde. Und genau das traf es.
Ich bin gern mit meinen Liebsten zusammen, habe sie gern um mich und habe damit alles, was mich wohlfühlen lässt. Da gibt es kein Vermissen, was ich doch jetzt endlich mal für mich tun möchte oder mir verwehrt ist, weil sie stets um mich sind.
Da war sie, die Ruhe. Die blanke Ruhe! Als erstes startete ich die Musik, die ich so gern in diesem leeren Raum pur genießen konnte. Tragende, weiche und auch wohlige Musik. Ich freute mich. Meine sogenannte Arbeit, welche das Umsetzen von Ideen, Vorstellungen anderer auf einer visuellen Ebene ist, lebe ich. Es ist in mir, will sich entfalten. Daher kann ich diese Tätigkeit in der meisten Zeit nicht als diesen altbekannte „Job“, „Beruf“ betiteln. Also freute ich mich darauf, dieses mir geschenkte Zeitfenster in aller Ruhe zu nutzen, um Dinge abzuarbeiten, die eben mal etwas Muse wollten. Endlich in Ruhe arbeiten. Nee, klar! Bude ist leer, keiner nervt und was tut frau, den Laptop hochklappen und endlich – aber eben jetzt in Ruhe – arbeiten.
Ich war fleißig am Trinken und als es in Richtung Mittag ging, erinnerte ich mich an die alten Tage, wo Frau allein war und eben nicht jede Mahlzeit zu einem wichtigen bestimmten Punkt eingenommen sein mußte, weil es sonst brenzlig wird mit den Magengeräuschen bzw. Energiepegel meiner Liebsten. Trotzdem wählte ich ein kleines Essen und aß allein für mich. Es ist so entsetzlich ungewohnt. Wie wird es wohl sein, wenn ich zwangsweise auch wieder eine Zeit erleben werde, in der ich das eben dann allein genießen werde. Nun gut, ich genoss noch immer das Alleinsein. Nutzte die neu aufgenommene grüne (Salat-)Energie um direkt noch mehr zu schaffen von meinem Arbeitspensum. Etwas später kam sie, die Hänge. Die Augenlider riefen unmissverständlich nach Schließung und Ausruhen. Schlafen? Jetzt?! Diese Ruhe mit Schlaf verbringen? Schlafen kann ich doch auch, wenn sie da sind. Nein! Viel zu schade!
Ich lies mich von Belanglosem besudeln, um nicht schlafen zu müssen und gleichzeitig aber mein Hirn entspannen zu lassen. Glücklicherweise hatten sich die Augenlider dann doch irgendwann wieder auf Offenheit besonnen und so kam es direkt zur nächsten Frage: „Es ist Samstag! Was mach ich jetzt? Weiter arbeiten? Keine Lust! Garten? Neee, ist einfach noch zu heiß draußen.“. Boah, manchmal hat man es schon nicht so einfach mit sich selbst. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was ich dann noch getan hab. Alles in allem durfte ich am folgenden Tag das gleiche erleben. Als es auch an diesem Tag wieder immer später wurde und meine Bagage einfach nicht wieder auftauchen wollte, wurde ich schon leicht itzig. „Na super!“, grummelte ich so gedanklich in mich rein. „Es ist schließlich Wochenende. Das könnten wir ja wenigstens ein bisschen Zeit zusammen verbringen!“ sprach sie, die seit 8 Jahren täglich genau das erlebte.
Warum ich das schreibe? Es kam heute ein Satz von Opa auf, der sich immer wieder in mein Hirn stahl und mich glaube ich gerade bevor ich entschied das zum Schreiben zu nutzen, traurig machte. Ich war bedrückt und konnte nicht so richtig greifen was es ist. Sein Satz war, dass wir ein Projekt, was sehr viel Potenzial in sich trägt aus seiner Sicht angehen sollten, als weiterhin noch mehr zu investieren in die „Nimm es mir nicht übel“-Grafik. Und damit meinte er „Du mußt trotzdem auf deine Kräfte achten. Denn sind wir mal ehrlich, wer weiß schon wie lange wir so leben können wie wir es tun und die Kids werden größer und wollen auch mehr von euch!“. Keine oder deutlich weniger grafisch tätig sein? Hm und da war die große Frage: und was mach ich dann? Es gibt viele Sachen, die uns beschäftigen, auch jeweils bestimmte Leidenschaften von uns abdecken. Langeweile ist also nicht der Kern dessen, was mich da wohl ins Schwingen gebracht hat.
Jetzt nach all den Jahren, wo ich mit eben jener Fähigkeit (mittlerweile bin ich ja schon mal so weit zu erkennend, dass das einfach mal eine ist und nicht jedem gegeben) die Mittel einspielen kann, die uns ein erfülltes und verdammt dankbares Leben ermöglichen. „Jetzt endlich tragen sich all die Erfahrungen, Auf und Ab´s, all die unzähligen Aufträge, Kunden und Projekte. Jetzt soll es das nicht mehr sein?“. Es geht dabei auch nicht um das Einstellen dessen, mit keiner Silbe. Es geht um nichts geringeres als der Frage, welches Potenzial in mir ist jetzt dran? Also das nächste „Jetzt“, was in naher Zukunft ansteht. Worin kann ich dann so wirken, dass ich mich aufgehoben, komfortabel und möglichst wenig irritiert fühlen kann? Möglicherweise weißt du was ich meine.
Und jetzt kommt der Teil der zarten ersten Erkenntnisse, der mich doch etwas beschämt sein lässt. „Wie? Ich soll mich dann mehr um die Kinder kümmern?!“. Puh! Seit ein paar Jahren laufen sie selbständig, gestalten ihren Tag nach ihren Bedürfnissen und alles läuft doch so perfekt und stimmig. Und doch gibt es da etwas, was wohl nicht nur unseren Kindern so geht: wir sind nicht mehr wirklich gefordert bzw. möglicherweise sogar gefördert. Wir bedienen das, was wir können, was funktioniert und „ja, läuft halt“. Und dabei gilt es unbedingt zu erwähnen, dass wir unsagbar froh und dankbar dafür sind, jeden Tag aufs neue. Wir leben den puren Luxus und das ohne Luxusgüter (wobei auch das eine Frage der Betrachtung ist). Gesund, versorgt mit den besten Nahrungsmitteln von Mutter Natur und 360° Optionen sich zu entfalten. Luxus pur!
Und doch Fragezeichen? Fragezeichen, was soll „danach“ kommen. Die Grafik war schon immer ein wichtiger und sehr hilfreiches Seil am Rand des Felsens, woran ich mich immer wieder entlang hangeln konnte. Wenn die ersten Jahre mit den kleinen Menschen doch die ein oder anderen leicht verzweifelten Stunden aufbrachten, weil Durchschlafen, mal in Ruhe Duschen oder auf Toilette gehen, seinen eigenen Rhythmus wieder entwickeln, mal ein Buch lesen können am Stück; einfach Lostippen, wenn die Muse zuschlägt; alles so weit entfernt schien. Da war „ich muß das noch fertig machen“ so wunderbarer Ausreißen aus dem reinen „Mama-Sein“. Dieser half auch zu relativieren, sich immer wieder auf sich zu besinnen, in sich reinzuhorchen, weil auch das Visualisieren in meinem Fall über diese feinen Antennen geht. Jene, die auch dann ganz einfach wieder aufspringen konnte, wenn das Gefühl rief, weil eines der Kinder aus einem Grund aus dem Schlaf hochgeschreckt ist. Das war dann ok, weil Mama ja gerade auch Grafikerin sein durfte. Ich hatte das große Glück alles leben zu können, was mir in all den Jahren zu jedem Zeitpunkt wichtig war.
Ist es an der Zeit dieses „ackern müssen“ jetzt einfach mal abgeben zu dürfen in ein freies „was machen wir jetzt?“? Wow, dieser Gedanke huschte durch meinen Kopf und lies mir die Tränen in die Augen schießen. Oft kam in den vergangenen Monaten immer der gleiche und definitiv nicht locker-flockig gemeinte Moment: „Du bist bald 45!“. Und da sind auch Gedanken dabei, was ist, wenn es nur 60 werden? Was willst du in den nächsten 15 Jahren machen? Grafik! „Nee, ist klar. Ist ja sicher. Haste jetzt bald fast 20 Jahre gemacht.“. Puh. Ist dieses bedrückende Gefühl in mir möglicherweise die Ahnung, dass es wohl doch umkomfortabel werden könnte? Für die Frau, die so gern die Komfortzonen anderer aufzeigt, ihnen Ferngläser reicht, um ihnen Türen sichtbar zu machen. „Nur noch Mutter sein. Garten, Häuschen bauen … „ und ein paar kleine Projekte, die uns ein entspanntes Leben gewährleisten. Allein das „Dann hast du mehr Zeit, um dich mit den Kindern zu beschäftigen!“ lässt mich leicht genervt zurück mit der Frage „was soll ich da machen?“. Rabenmuttermäßig hoff ich einfach, dass die schon allein ihr Ding machen. Mein Partner ist da wundervoll drin. Ich bewundere seine Ruhe, Gelassenheit und Geduld dabei. Gerade wollte ich schreiben „Ich kann das einfach nicht.“ und dachte mir zugleich, dass ich es doch jetzt lernen könnte zu können, weil ich mir ja alsbald deutlich mehr Zeit einräumen könnte. Ich gestalte nicht wegen dem, was am Ende des Monats auf dem Konto landet, sondern weil ich es gern tue. Die Ideen, Bilder, Potentiale einer Sache sprudeln förmlich in mir, wenn es die richtige Wellenlänge gefunden hat. Und das soll ich aufgeben? Das hat Opa nicht gemeint. „Kräfte einteilen“, waren seine Worte. Ja, auch mein Körper hat das Thema Alter oder MidVierziger des öfteren in den vergangenen Wochen angebracht.
Ich will nicht alt werden! Es darf alles gern so leichtfüßig bleiben (nix geschwollener Fuß oder Besenreißer!), entspannt (nix mit „jetzt seid doch mal leise. Ich muß arbeiten!“) und energetisch jugendlich (nix mit „Aber wir machen das doch immer so.“). Ich erkenne immer öfter meine Mom oder meine Tante in meinen Sätzen, Denken oder Verhaltensweise wieder und das ist erschreckend! Warum erschreckt es denn, wenn denn vor allem ich diejenige bin, die gern die ANDEREN darauf aufmerksam macht, dass das Leben endlich ist! Wir leben jeden Tag in einer verdammt großen Fülle, Freiheit und Vielfalt und doch lebe ich noch lange nicht jeden Moment als wäre er ein möglicher letzter. Vor einigen Jahren ging das noch besser. Wenn dann die Kids einfach nicht so entspannt waren, mich einfach rauszunehmen und mich auf sie einzustellen. „Das soll wohl jetzt einfach so sein. Dann gilt es wohl dich jetzt damit auseinanderzusetzen.“. Ich könnte das „müssen“ loslassen und das „den Tag gestalten“ hereinlassen. „Einfach mal andere Dinge tun.“ – boah „das muß doch langweilig sein.“ ruft das Hirn. Luxusjammern – keine Frage. Es bringt mich allerdings zu etwas zurück, wo ich geglaubt habe, meine „Aufgabe“ gefunden zu haben. Mein „Job“ ist es die Vorstellungen anderer zu visualisieren und dazu das mir gegebene Handwerkszeug zu nutzen. „Gibt es nur den einen Job?“ fragt mich jenes Hirn zurück. „Ok, Mama bin ich auch noch und könnte ich definitiv noch präsenter sein.“.
Ich habe keine wirkliche „Lösung“ auf mein wahrgenommenes Gefühl. Es ist eine stille Frage und Unruhe, die sich auch gut anfühlt, in mir.
(Anmerkung der Autorin: exakt jetzt tauchen die anderen geliebten Zweibeiner auf – perfektes Timing 😉 )
Ich nehme sie mit und vielleicht hast du ja den ein oder anderen Impuls für mich, der mir ein Fernglas sein kann um andere Türen an meiner Komfortzonen-Grenze zu erkennen und ein Neuland „nach“ der 45 vor mir zu sehen.
Schon jetzt Danke dafür (und die Meute stürmt das Haus)